Karte Uganda

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Freitag, 4. März 2011

„Erfahrung ist nicht das, was einem zustößt. Erfahrung ist das, was man aus dem macht, was einem zustößt"-mein Halbjahresbericht

„Erfahrung ist nicht das, was einem zustößt. Erfahrung ist das, was man aus dem macht, was einem zustößt“



Diese klugen Worte von Aldous Huxley passen sehr gut zu meinen Gedanken zu den letzten 3 Monaten hier in Uganda. Nun bin ich schon seit genau 6 Monaten hier und mir sind sehr viele Dinge „zugestoßen“ und ich habe auch Vieles erlebt. Jedoch habe ich erst jetzt das Gefühl aus dem was mit zustößt auch wirklich etwas zu machen. Die ersten Monate kam ich mir selbst mehr passiv als aktiv vor. Ich war mir nicht sicher wie ich mich in der neuen Umgebung verhalten soll oder wie genau hier mein Alltag aussehen soll. Natürlich habe ich mich von der ersten Sekunde an wohl gefühlt, habe jedoch immer alles mit einem gewissen Abstand betrachtet ohne selbst irgendetwas daran zu ändern oder aktiv an alledem teilzunehmen.

Seit etwas mehr als einem Monat beginnt sich das nun zu ändern. Ich sammele immer mehr wirkliche Erfahrungen als nur Eindrücke oder Beobachtungen. Dazu gehören ganz praktische Erfahrungen wie man zum Beispiel Ziegelsteine aus Erde herstellt oder wie man einen energiesparenden Ofen aus Kuhdung, Gras, Erde und Wasser herstellt. Dazu gehören auch zwischenmenschliche Erfahrungen, die ich bisher noch nicht auf die Art und Weise gemacht habe: Die Nachbarskinder nicht nur draußen vor der Mauer auszusperren, sondern auch im Wohnzimmer Hausaufgaben machen zu lassen. Dabei habe ich gemerkt, wie sehr sich sogar mein Leben hier von dem Leben der meisten Ugander unterscheidet, als die Kinder auf einmal strahlend unter meiner Dusche mit fließend Wasser standen. Natürlich sieht man den Unterschied auch im Alltag, aber ein solches Erlebnis macht einen ganz anderen Eindruck. Auch auf dem Markt begegnet man vielen Menschen, die einem „zustoßen“. Anfangs war ich viel zu eingeschüchtert und bin in meiner Mzungu-Rolle geblieben. Aber nun rede ich wirklich mit den Menschen und weiß mehr über sie statt nur die Tatsache, dass sie Mangos oder Bananen verkaufen. Durch Offenheit und durch den Mut aus seiner bequemen Rolle herauszugehen erfährt man so viele neue Dinge und findet auch neue Freundschaften. Schon bevor ich nach Uganda kam war ich was fremde Kulturen und Länder angeht immer aufgeschlossen und habe nie große Probleme gehabt mich einzufügen. Wer bei den vorherigen Zeilen den Eindruck hatte, dass mir das hier in Uganda schwerer gefallen ist, der hat damit sehr recht. Die Rolle als Weißer, der immer und überall im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht und von dem alle erwarten er wäre reich und würde das eigene Leben verändern können, fällt mir nicht sehr leicht. Diese Rolle hat mich zu Beginn sehr eingeschüchtert und es hat mich all die Wochen und Monate gekostet um sie zu durchbrechen.

Eine weitere Erfahrung habe ich während den Wahlen gemacht, mich persönlich betreffend. Die Tatsache, dass in Uganda dieses Jahr die Präsidentschaftswahlen stattfanden, war auch etwas was mir „zugestoßen“ ist. Was ich jedoch daraus mache, darüber was ich mir lange Zeit nicht so sehr im Klaren. Meine Gedanken reichten von sich im Haus einsperren bis hin zu aus dem Land fliegen. Aber der Gedanke ich könnte mit im Geschehen dabei sein, den hatte ich eigentlich nie. Die Gelegenheit dazu bot sich mir dann jedoch wirklich und ich habe sie kurzerhand wahrgenommen. Mein ganzes Leben zuvor habe ich noch nie dramatische Vorfälle oder Katastrophen oder sonstige Extremsituationen erlebt. Sogar von einem so häufig vorkommenden Autounfall bin ich verschont geblieben. Deswegen hatte ich keine Ahnung wie ich auf mögliche Vorfälle reagieren würde. Ironischer Weise war dann während den Präsidentschaftswahlen Mbale die Stadt oder die Region, in der am Meisten passiert ist. Ich habe im Krankenhaus mitgeholfen und habe dort leider zum 1.Mal in meinem Leben tote Menschen gesehen und danach auch die schrecklichen Reaktionen der Angehörigen (Das Kommentar über die Ursache lasse ich hier aus, weil es mehrere unbestätigte Theorien darüber gibt). Außerdem war ich bei einer Demonstration dabei, als die Polizei mit Steinen beworfen wurde und diese darauf mit Tränengas antwortete. Meine Präsenz dort wurde sogar von NTV festgehalten, weshalb ich dann sogar in den ugandischen Nachrichten zu sehen war. Diese und ein paar andere Erlebnisse möchte ich nicht weiter ausschmücken. Aber was ich damit sagen wollte ist, dass ich hier über meine eigene Angst gesprungen bin und deswegen Erfahrungen gemacht habe, die mir viel über mich selber verraten haben und die für mich auch sehr wertvoll für meine berufliche Laufbahn sein werden.



Dieser Bericht hört sich sehr positiv an, was er auch sein soll. Natürlich gibt es im Alltag immer Momente und Erlebnisse, die einen auf die Palme bringen können und die nicht sehr schön sind. Beispiele dafür sind die ugandische Unzuverlässigkeit, bei der es mir vermutlich bis in alle Ewigkeit schwerfallen wird sie zu verstehen, oder .... Aber diese Dinge sind nur störende Nebenfaktoren und spiegeln damit nur in sehr geringem Maße wieder, wie es mir hier geht und was ich hier mache. Deswegen habe ich diese Faktoren bei Seite geschoben.



Alles in allem waren diese 3 Monate voller Erfahrungen, auch über mich selbst, und geprägt von der Erkenntnis, dass man oft einfach sich aus seiner „Bequemlichkeits-Zone“ heraus bewegen sollte und über seinen eigenen Schatten und die Ängste zu springen. Denn nur so erlebt man wirklich tolle und einmalige Dinge, die ich persönlich nie wieder vergessen werde.



Liebe Grüße aus Mbale, das jetzt wieder so ruhig ist wie immer



Sabrina Konzok